Herausforderung Übergänge
Alltagskrisen und Übergänge
Bei uns in der Familie sind Übergänge seit meine Tochter aus dem Babyalter raus ist immer wieder eine Herausforderung. Ob es das Aufstehen und Aufwachen, das Anziehen, das von Zuhause losgehen oder das Heimkommen ist. Regelmässig geraten wir in den Übergängen aneinander. Ich brauchte eine Weile, bis ich überhaupt realisierte, dass es immer die Übergänge sind, die schwierig sind. Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen, mit dem Thema bewusster umzugehen.
Jedes Kind ist anders, einige reagieren stärker auf Übergänge, andere weniger. Jede Familie hat ihren eigenen Rhythmus und Abläufe und es gibt nicht den einen richtigen Weg. Falls ihr aber beobachten könnt, das die Übergänge schwierig sind, dann kann es euch unterstützen, sich dem Thema bewusst zu sein und mal kleine Veränderungen auszuprobieren.
Auch in der Pädagogik haben Übergänge eine hohe Priorität
Im Kindergarten schenken die Lehrpersonen den Übergängen besondere Beachtung, in der Ausbildung ist es explizit Thema. Wenn ich mir als Lehrperson die Übergänge zwischen den Aktivitäten wohl überlegt habe, und auch so viele wie möglich davon ritualisiert habe, lässt sich so manch alltägliche Situation deutlich erleichtern und fliessender gestalten. Sind die Übergänge mit einem Ritual verknüpft und wiederholen sich somit immer gleich, erleichtert dies den Kindern den Übergang sehr. Sie wissen was kommt und das bewirkt ein Sicherheitsgefühl, was sich wiederum auf die gesamte Stimmung auswirkt.
Es war mir also beruflich längst klar, wie wichtig Übergänge sind. Ich habe aber dennoch ein Weilchen gebraucht, bis ich dies auch auf mein Familienleben beziehen konnte und dann damit begann, mit entsprechendem Bewusstsein auf die Übergänge zu achten.
Übergänge können Kinder überfordern
Ein Übergang ist immer der Moment von einer Aktivität zur nächsten. Das Kind war vielleicht gerade total wohl und es möchte am Liebsten in dieser Aktivität bleiben. Vielleicht hat das Kind Mühe, sich vom einen zu lösen, sich zu „verabschieden“ und sich aufs Neue einzulassen. Oder es weiss nicht, was jetzt kommt, ist deshalb verunsichert und möchte lieber ausweichen.
Es erfordert vom Kind ein „sich einstellen“ auf das, was als nächstes kommt. Meiner Erfahrung nach ist es dieser Prozess, der den Kindern oftmals Mühe macht. - Und übrigens wohl auch noch einigen Erwachsenen.
Hürden entschärfen und vorbereitet sein
Mir hilft, wenn ich mir den Übergang anschaue und mir überlege, wo die Herausforderungen vorkommen und wie ich diese entschärfen kann. Was braucht mein Kind, wie bereite ich es auf die nächste Aktivität vor, wie kann ich den Übergang begleiten? Und dann kommt eine weitere, ebenfalls sehr wichtige Überlegung: Was brauche ich, um das zu ermöglichen?
Beispiel Morgenroutine
Bei unserer Morgenroutine an einem Wochentag mit Kita und Arbeit bedeutet das für mich, dass ich deutlich früher aufstehe um noch kurz Zeit für mich zu haben und möglichst alles, was ich morgens brauche schon erledigt zu haben. Ich ziehe mich an, packe mein Mittagessen ein, mache das Frühstück bereit, mache meinen Kaffee und setze mich ein paar Minuten hin. Wenn der Plan aufgeht und meine Tochter nicht ebenfalls bereits aufgestanden ist, wecke ich sie erst dann und habe viel Zeit und Aufmerksamkeit für sie.
Wir haben herausgefunden, dass meiner Tochter ein Mix aus Zuwendung, Selbstbestimmung und vorgegebener Struktur hilft. In der Morgenroutine bedeutet dies dann für uns, dass ich sie in die Küche trage, sie anziehe und möglichst präsent bei ihr bin. Für sie ist es eine Herausforderung, ein, zwei Stunden nach dem Aufstehen bereits aus dem Haus zu müssen. Noch früher wecken geht nicht, also versuchen wir einfach, ihr diese Zeit so locker wie möglich zu gestalten und möglichst keine Anforderungen an sie zu stellen. Am einfachsten ist es, wenn wir am Abend vorher aus dem Schrank frische, bequeme Kleider auswählen, die zum Schlafen wie auch für die Kita gut gehen und sie diese direkt am Abend schon anzieht. Dann freut sie sich morgens, dass sie schon angezogen ist und das Anziehen fällt für uns am Morgen weg.
Was wollen wir ändern?
Es geht nicht darum, dem Kind immer jeden Stolperstein aus dem Weg zu räumen. Es geht darum, eine herausfordernde Situation zu entschärfen. Ich ziehe also mein Kind nicht immer an. Aber eben dann, wenn es das braucht, wie beispielsweise im Übergang morgens. An einem freien Tag zieht sie sich gerne und von sich aus selbständig an, jedoch meist erst zwei bis drei Stunden nach dem Aufstehen.
Wenn das Haus morgens früh verlassen werden muss, und dies jedes Mal zu Spannungen und Krisen führt - haben alle einen schweren Start in den Tag. Da darf es doch sein, nach Mitteln zu suchen, diesen Start in den Tag wieder schöner zu gestalten und dies dann alle entspannt. Ich finde, das darf auch extra viel Zuwendung oder eben etwas Unkonventionelles sein wie die Kleider schon am Vortag anzuziehen. Alles, was für die Beteiligten stimmt, ist meiner Meinung nach „erlaubt“. Viel Zuwendung, Bücher anschauen, Kinderlieder hören, vielleicht auch etwas, das du sonst eher nicht möchtest, wie ein kurzer Film. Sofern das für dich okay ist. Bist du nicht mehr wohl damit, dann wähle was Anderes. Auch das ist möglich, du darfst deine Meinung ändern, du kannst das vermitteln und erklären. Natürlich nicht wöchentlich aber schau es als Prozess an, in dem ihr als Familie einen Weg sucht, die Hürden abzuflachen und so entspannter sein sein zu können.
Sei kreativ und suche nach unkomplizierten, einfachen Lösungen, die euch entlasten.
Situation reflektieren
Falls euch Übergänge ebenfalls beschäftigen, habe ich hier ein paar Leitfragen, die dir helfen können, sie achtsam zu betrachten:
Was ist dein Bedürfnis / das Bedürfnis deines Kindes in dem Moment?
Selbstbestimmung des Kindes?
Klarheit / Struktur der Situation?
Zeitmanagement: brauchen wir mehr/weniger Zeit?
Prioritäten setzen für mehr Leichtigkeit: Was kann ich loslassen, was möchte ich beibehalten?
Es ist ein Prozess
Dein Kind und du, ihr werded euch weiterentwickeln und es wird nicht ewig so bleiben. Für den Moment brauchen diese Situationen vielleicht einfach besondere Aufmerksamkeit.
Die kleineren Übergänge wie tagsüber aus dem Haus gehen oder Heimkommen sind für meine Tochter auch nach wie vor nicht ganz einfach. Ich habe kein Rezept, das immer funktioniert. Mal geht es besser, mal wieder weniger. Aber es hilft mir sehr, nur schon zu wissen, das ist jetzt wieder ein Übergang der ihr schwer fällt. Dann kann ich es lockerer nehmen und sie besser darin begleiten.
Welche Übergänge sind bei euch schwierig? Gibt es Übergänge, die problemlos laufen? Was hilft euch, dass ein Übergang fliessender wird für euer Kind und die ganze Familie?